Der komplementäre Dreiklang des Digital Workplace und „Working out Loud“
Seit etwa 8 Jahren beschäftige ich mich als Berater mit dem Thema “Digital Workplace”. Der Begriff mag für manche unscharf oder mißverständlich sein. Für mich bildet dieser Begriff bisher allerdings die beste Klammer für all das, was meines Erachtens nach in dieses Themengebiet fällt. Und vielleicht fällt mir irgendwann noch ein besserer Begriff ein. Aber bis dahin bin ich ganz happy mit dem “Digital Workplace”. Oder der nicht ganz so griffigen deutschen Variante “digitaler Arbeitsplatz”.
Namen sind Schall und Rauch
Unabhängig davon, ob ein Unternehmen ein ESN (Enterprise Social Network) einführt, ein Social Intranet implementiert oder “Wissensmanagement machen” möchte, es geht letztlich immer um dasselbe: den Einsatz von digitalen Tools und Lösungen zur besseren Vernetzung der Mitarbeiter, zum leichteren Wissensaustausch zwischen unterschiedlichen Unternehmenseinheiten, zur Verbesserung der internen Kommunikation oder zur Beschleunigung von Prozessen.
Die Beweggründe sind unterschiedlich
Genauso vielfältig wie die Bezeichnungen für die interne Digitalisierung von Unternehmen sind, sind die Beweggründe für die Einführung des Digital Workplace. Je nachdem wer oder welche Unternehmenseinheit der Antreiber für ein solches Einführungsprojekt ist.
Mal ist es das Auslaufen des Supports für eine veraltete Technologie, mal hat die IT-Abteilung eine neue Softwarelösung gekauft, die nun auch sinnvoll genutzt werden soll.
Ein andermal bedingt die neue Unternehmensstrategie mit digitalen Geschäftsmodellen eine interne Digitalisierung, um mit der Geschwindigkeit der äußeren Entwicklung mithalten und innovationsfähig bleiben zu können.
Häufig fordert auch die Unternehmenskommunikation ein zeitgemäßes Kommunikationsmedium für den Kontakt zum Mitarbeiter oder Fachbereiche verlangen nach digitalen Arbeitsräumen, weil Teams in unterschiedlichen Zeitzonen oder an verschiedenen Standorten sitzen und dies die face-to-face Zusammenarbeit erschwert oder unmöglich macht.
Und manchmal ist es der Wunsch Ineffizienzen durch Doppelarbeit zu vermeiden (weil man gegenseitig nichts voneinander wusste), Geld zu sparen, indem man Mitarbeiter remote einstellt und so die Bereitstellung von physischen Arbeitsplätzen bleiben lassen kann, oder der Verzicht auf Papier und die Umstellung zum sog. Paperless Office.
Technologie, Organisation und Kultur
Ganz gleich wie man die Einführung des Digital Workplace nennt oder warum ein Unternehmen diesen implementieren will, eins hat sich in all den Jahren nicht geändert: der dafür notwendige komplementäre Dreiklang aus Technologie, Organisation und Kultur.
Der digitale Arbeitsplatz, oder sagen wir besser, der erfolgreich eingeführte und entsprechend genutzte digitale Arbeitsplatz, ist nicht möglich wenn einer der drei Faktoren nicht gegeben ist.
Ohne digitale Technologie(n), welche Kommunikation, Zusammenarbeit und Vernetzung ermöglichen, kann es keinen Digital Workplace geben.
Ohne eine Unternehmensorganisation, die auf Transparenz, Vernetzung und ein Miteinander ausgerichtet ist, die also fähig ist, passende Strukturen für neue Formen des Arbeitens zu entwickeln und bereit zu stellen, wird jedes noch so smarte und intuitiv nutzbare digitale Tool nicht die gewünschten Effekte haben.
Ohne eine Unternehmenskultur, welche die zentralen Werte des Konzepts von New Work, also Selbstständigkeit, Freiheit und Teilhabe an der Gemeinschaft, innewohnen hat, wird die für den Digital Workplace notwendige Geisteshaltung und Verhaltensänderung nicht möglich sein und digitale Tools in ihrem vollem Funktionsumfang ungenutzt bleiben.
Schlechte Verteilung der beigemessenen Bedeutung
Das alles ist nicht neu. Genau so wenig wie die Erkenntnis und das regelmäßig von Experten und Beratern verbreitete Mantra, dass Technologie in Digitalisierungsprojekten nur 20% ausmacht und 80% des Erfolgs von den Faktoren Organisation und Kultur abhängt. Und das gilt nicht nur für den unternehmensinternen Teil der digitalen Transformation.
Warum allerdings nach wie vor ein Großteil des Budgets für Digital Workplace Projekte in die IT fließt und nur ein kleiner Teil (wenn überhaupt) in die so wichtigen begleitenden Change, Enabling- und Organisationsentwicklungsmaßnahmen, bleibt mir ein Rätsel. Aber dazu ein andermal mehr.
Der Digital Workplace für den Menschen
Bricht man das ganze Thema des digitalen Arbeitsplatzes von der Unternehmensebene runter auf die Mitarbeiterebene, stellt sich die Frage, was der Digital Workplace eigentlich für den Menschen bedeutet. In der sechsten Folge des digiTALK Podcasts, hat mein Gast Katharina Krentz dafür eine sehr schöne Antwort formuliert: “work anywhere efficiently”. Und das trifft auch für mich den Nagel auf den Kopf. Der Digital Workplace ermöglicht den Menschen, ihre Arbeit von überall effizient erledigen zu können. Er hat damit eins der Hauptprinzipien von New Work quasi in seiner DNA: Flexibilität.
Um diese Flexibilität leben zu können und seine Arbeit ortsunabhängig und zum Teil sogar zeitunabhängig erledigen zu können, braucht es ebenfalls den komplementären Dreiklang des Digital Workplace: Technologie, Organisation (im Sinne von Fähigkeiten) und Kultur (Geisteshaltung). Im Englischen kann man hier schön von “Toolset, Skillset und Mindset” sprechen, welches sich durchaus griffiger anhört. Aber auch hier gilt letztlich das Namen-sind-Schall-und-Rauch-Motto und es kommt darauf an, was sich hinter den Begriffen verbirgt.
Ich brauche die richtigen Werkzeuge, also digitale Lösungen und Technologien, welche mir die Kommunikation, Zusammenarbeit und den Austausch mit anderen ermöglichen, um von überall effizient arbeiten zu können.
Ich muss die Fähigkeiten haben oder entwickeln, mich selbst zu organisieren, die Technologien für den jeweiligen Anwendungsfall bedienen und nutzen zu können sowie zu wissen, wie man sich vernetzt und miteinander kollaboriert.
Ich benötige die richtige Arbeitskultur und Einstellung, um offen und transparent Wissen zu teilen und Feedback zu geben, um Eigenverantwortung und Flexibilität als Chance und nicht als Bedrohung zu begreifen und den Willen, meinen Arbeitsalltag (in den gegebenen Unternehmensgrenzen) selbst zu gestalten.
“Working Out Loud” als Baustein des Enablings
Aber wie schafft man es nun, die richtige Unternehmenskultur und das richtige Mindset zu entwickeln? Wie kann man Menschen dazu befähigen, den Willen zu haben Wissen zu teilen, voneinander zu lernen, sich zu vernetzen und offen miteinander zu kommunizieren?
Die Liste möglicher Change Management (nach wie vor ein eher unglücklicher Begriff, da man Veränderung meines Erachtens nicht “managen” kann) Maßnahmen ist lang. Manche Methoden funktionieren gut, andere eher schlecht. Und was in einem Unternehmen hervorragend klappt, kann in einem anderen kläglich scheitern.
Ich möchte mich an dieser Stelle kurz dem Thema WOL (“Working Out Loud”) bzw. den WOL-Circles als Methode dafür, vernetztes Arbeiten zu lernen, widmen. Viele Artikel wurden bereits über WOL und die von John Stepper entwickelte Circle-Methode geschrieben. Ich denke nicht, dass es einer weiteren Erläuterung bedarf. Wer noch nie von „Working Out Loud“ gehört hat, dem sei zum Einstieg der zugehörige Wikipedia-Artikel empfohlen. Und wer so richtig in das Thema einsteigen möchte, dem lege ich natürlich das „Working Out Loud“ Buch von John Stepper ans Herz. Einen Erfahrungsbericht aus der Praxis mit erstaunlich positiven Ergebnissen der WOL-Circle-Methode gibt es im zweiten Teil des digiTALK-Podcasts mit Katharina.
WOL scheint im Moment in aller Munde zu sein. Die Meinungen dazu gehen auseinander und es gibt neben Hardcore-Fans dieser Methode auch genauso vehemente Kritiker. Ich persönlich halte die Einführung von und Teilnahme an WOL-Circles für eine wirklich hilfreiche und vor allem sehr greifbare Möglichkeit, Menschen vernetztes Arbeiten erlernen zu lassen. Es ist seit langem die erste Methode, die mir unterkommt, die ich guten Gewissens meinen Kunden als Baustein für ihre interne digitale Transformation empfehle. Eine Schritt-für-Schritt Anleitung, die den Mitarbeiter mitnimmt, ohne ihn zu überfordern.
Natürlich muss auch hier eine gewisse Bereitschaft des Menschen bestehen, sich darauf einzulassen und die Teilnahme an einem WOL-Circle zumindest mal zu versuchen. Und auch hier wird es Verweigerer geben, denen nicht beizukommen ist. Aber die Teilnahme an einem WOL-Circle ist erstens die einzige mir überhaupt bekannte Methode “Networking” zu lernen (denn es gibt genug Menschen, denen das unglaublich schwer fällt und die dies nicht können). Und zweitens ist die Teilnahme an einem WOL-Circle immer noch einfacher, als plötzlich von den Kollegen zu verlangen, Community-basiert zusammenzuarbeiten, ohne dies jemals vorher getan zu haben. Und das auch nur, weil da plötzlich ein neues Tool im Unternehmen bereit steht.
Auf der Ebene des Individuums halte ich WOL bzw. den WOL-Circle für eine bestens geeignete Methode, um die Entwicklung der für den Digital Workplace, also das von überall effiziente Arbeiten, benötigten Fähigkeiten und Geisteshaltung zu unterstützen.
Im Unternehmenskontext betrachtet schließe ich mich Ingo Stoll an, der in seiner Kolumne für einen Methoden-Mix plädiert. Ja, die Einführung des Digital Workplace und der damit einhergehenden Transformation von Organisation und Arbeit bedarf einer Mischung verschiedener Praktiken aus dem modernen Organisationsveränderungs-Baukasten. Seien es agile Methoden, Design Thinking, Holacracy oder sonstige andere Konzepte. Und dieser Mix muss dann auch so individuell sein, wie jedes Unternehmen und seine ganz eigenen Herausforderungen und Barrieren.